Home-, Datei- und Media-Server im Eigenbau
Mit i3 oder i5 und theoretisch bis zu 18 Terabyte Kapazität
Schnell wird also mit der Anschaffung eines NAS-Systems, z.B. von Branchenprimus QNAP, geliebäugelt. Fast unbegrenzt scheint die Auswahl an Modellen und Funktionen. Doch einmal zu Hause aufgestellt, landet man schnell auf dem Boden der Tatsachen. Die Zugriffsgeschwindigkeit krebst auf 100 MBit-Niveau herum, trotz der versprochenen Gigabit-Fähigkeiten, die Geräte hängen sich mitunter auf und lassen sich nur durch einen harten Neustart wieder zum Leben erwecken, die Web-Oberfläche ist bei der Arbeit mit vielen oder sehr großen Dateien hoffnungslos überfordert und der Zugriff von iTunes auf die Musiksammlung funktioniert auch nur stundenweise.
Alle diese Mängel habe ich mir nicht ausgedacht, sondern tatsächlich selber erlebt oder von anderen NAS-Benutzern gesammelt. So verkommt der teuer angeschaffte Zwerg schnell zur verstaubten Dateiablage und die externen Festplatten werden wieder aus der Schublade geholt... wäre ja auch zu schön gewesen.
Doch halt! Gibt es nicht bereits ein Gerät, dass die meisten dieser Anforderungen und noch viel mehr mit links erledigen kann? Richtig, der klassische Heim-PC. Was liegt also näher, als diesen in ein kompaktes Gehäuse zu verpflanzen, mit stromsparenden Komponenten auszustatten und fortan, was Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und vor allem Flexibilität angeht, aus dem Vollen schöpfen zu können?
Das Gehäuse
Ein Case, das uns sehr viele Möglichkeiten gibt, aber gleichzeitig kompakt bleibt, ist das PC-Q08 von Lian-Li (Fotos im Link). Es ist in drei Farben erhältlich (silber, PC-Q08A, schwarz, PC-Q08B und rot, PC-Q08R). Der Preis liegt zwischen 80 und 120 Euro. Die Außenmaße sind: 22,5 cm breit, 28 cm hoch und 32,5 cm tief. Das Gehäuse ist hochwertig verarbeitet und bietet Platz für bis zu sechs 3,5"-Festplatten (Gummiaufhängung wird mitgeliefert) und ein BluRay-Laufwerk. Möchte man eine dedizierte Grafikkarte verwenden, muss man auf zwei Festplatten gegenüber dem Maximalausbau verzichten. Dies wird aber in der Regel wenig Sinn machen. Als Netzteil kommt ein herkömmliches ATX-Netzteil zum Einsatz. Zwei große Lüfter, einer oben, und einer vorne für die Festplatten werden eingebaut mitgeliefert.
Für etwa 40 Euro mehr ist auch eine Version mit bereits eingeklebten Dämm-Matten erhältlich, die angeblich die Geräuschkulisse der Festplatten weiter senken soll.
Das Mainboard
Bei der Auswahl von Mainboards ist man vom Gehäuse auf Mini-ITX-Bretter beschränkt. Unsere Wahl fällt auf die aktuelle zweite Generation der Intel Core i-Prozessoren mit integrierter, HD-Wiedergabe-fähiger Grafikeinheit, soll heißen, wir brauchen ein Mini-ITX-Mainboard mit H67-Chipsatz. Wir entscheiden uns in diesem Bauvorschlag für das ASUS P8H67-I (Bild links). Kostenpunkt etwa 85 Euro. Das Board gibt es auch in einer Deluxe-Version mit WLAN. Leider bietet die Deluxe-Variante dafür nur vier SATA-Ports anstelle von sechs. Ein weiteres empfehlenswertes Mini-ITX-Mainboard ist das GA-H67N-USB3-B3 von Gigabyte, welches aber auch nur vier SATA-Ports an Board hat. Falls dies jedoch den eigenen Anforderungen genügt, ist das Gigabyte-Board die dem ASUS in Sachen Verlässlichket überlegene Variante.
Der Prozessor
Hier kommen sinnvollerweise - zum Senken der Hitzeentwicklung, Geräuschkulisse sowie aus ökologischen Gesichtspunkten nur Geräte der Stromspar-Klasse von Intel in Frage. Genauer gesagt die Modelle: i3-2100T (nur 35W TDP, 2,5 Ghz-Dual Core), i5-2500T (45W TDP, 2,3 Ghz-Quad Core) und i5-2400S (65W TDP, 2,5 Ghz-Quad Core). Die Modelle i5-2405S und i5-2500S sind für unsere Zwecke nicht interessant. Diese, nur durch unauffällig angehängte Buchstaben (T bzw. S) gekennzeichneten CPUs verzichten auf Turbo Boost (i3-2100T) bzw. Hyper Threading (i5-2500T & i5-2400S), laufen dafür aber jeweils auf einer TDP-Stufe geringer als ihre Verwandten ohne Buchstaben. Beide Prozessoren habe eine eingebaute Grafikeinheit, die H264-HD-Material unter Windows 7 ohne nennenswerte CPU-Belastung dekodieren kann.
Wir entscheiden uns aus Kostengründen zunächst für den mitgelieferten Kühler. Allen, die möglicherweise Wert auf eine noch geringere Geräuschkulisse legen, kann ich den SilverStone Nitrogon NT07 für knapp 20 € wärmstens ans Herz legen. Theoretisch ist auch der Einsatz eines "normalen" i3-, i5- oder sogar i7-Prozessors möglich (alle vorgestellten Mainboards unterstützen dies), sorgt aber für eine höhere Stromrechnung und eine heißere Normaltemperatur im Gehäuse.
Im Bauvorschlag verwenden wir einen i5-2400S, dies ist aber der lokalen Verfügbarkeit geschuldet, der i5-2500T mit 20 Watt weniger TDP ist grundsätzlich mindestens genauso empfehlenswert (technische Daten im Vergleich), allerdings nur ohne Kühler (tray), nicht boxed erhätlich. Der i5-2400S schlägt aktuell mit etwa 160 € zu Buche, für den i5-2500T plus NT07-Kühler wären ca. 40 € mehr zu investieren.
Leistungsmäßig schaffen es alle diese Prozessoren, Daten von einer TrueCrypt-AES-verschlüsselten Partition mit vollem Gigabit-Speed durchs Netzwerk zu pumpen (natürlich nur wenn die Festplatten auf beiden Seiten entsprechend schnell sind, der Regelfall sind 40-50 MB/s). Zusätzliche Reserven dank Quad Core machen vor allem dann Sinn, wenn man den Server auch gleich als "Download-Station", kleinem Terminal-Server und/oder Media Center einsetzen möchte.
Die Festplatten
Da wir keine hochpotente Workstation bauen möchten, sondern eine Maschine, die uns 24/7 mit Daten und Diensten versorgen soll, legen wir unser Augenmerk bei der Wahl der Festplatten nicht auf schnelle SSDs oder gar Enterprise-Festplatten mit vielen Umdrehungen und großem Cache, sondern konzentrieren uns auf Festplatten, die zuverlässig, kühl und stromsparend ihren Dienst verrichten.
Nun steht also eine wichtige Frage an - sollen die Festplatten mithilfe des auf dem Mainboard integrierten Intel Rapid Storage (RST)-Controllers im RAID 0, 1, 5 oder 10 betrieben werden, oder klassisch als einzelne Platten, oder sogar im Software-RAID? Von der Antwort auf diese Frage hängt einiges ab.
Soll nur eine Platte verbaut werden, oder ist kein RAID (egal ob Software oder über RST) geplant, empfehle ich aus persönlicher Erfahrung das Modell WD20EARX aus der Caviar Green-Serie von Western Digital mit 2 TB [1863 GiB].
Dieses Modell ist allerdings - wie inzwischen fast alle nicht-RAID-Edition-Festplatten von WD sowie die meisten "Green Editions" - für den Einsatz in einem RAID-System, isbs. in einem hardware-integrierten wie der RST völlig ungeeignet. Da WD hier auf TLER (Time-Limited Error Recovery) verzichtet, kann es passieren, dass das frisch eingerichtete RAID bei jedem kalten Start im Status Degraded landet und die nächsten acht Stunden mit Reorganisieren beschäftigt ist - währenddessen kriecht das System.
Eine empfehlenswerte Alternative bietet hier die DeskStar-Serie von Hitachi. Ich habe das Modell Deskstar 5K3000 (auch mit 7200rpm) getestet. Es bietet ähnliche "grüne" Funktionen (bei WD IntelliSeek + IntelliPower genannt, bei Hitachi CoolSpin), aber hat CCTL (Command Completion Time Limit), die Samsung/Hitachi-Variante von TLER, soll heißen, dieses Modell funktioniert im RAID (RST RAID 1 getestet) einwandfrei! Die Preise beider Festplatten liegen bei etwa 60 € pro Stück. Nochmal zusammengefasst also: Vorsicht bei der Auswahl von Festplatten, falls der Intel Rapid Storage Controller zum Einsatz kommen soll!
Der Betrieb von 3 TB-Platten im RAID wird von der auf dem ASUS P8H67-I verwendeten Intel RST-ROM-Version (10.1.0.1008) bereits unterstützt! Allerdings verschrecken 3 TB-Platten nicht nur mit einem hohen Preis, sondern verursachen auch größere Kopfschmerzen bei der Konfiguration. Ich verweise hier auf die Zeitschrift c't, Ausgabe 05/11 und die Online-FAQ aus selbiger Quelle.
Das theoretische Maximum von sechs Festplatten mit je 3 TB Kapazität wird also fürs erste auch eher theoretisch bleiben - sechs Festplatten mit zusammen knapp 12 TB ohne RAID sind aber durchaus leicht unter 1000 Euro zu schaffen.
Software
Die flexibelste Betriebssystem-Lösung dürfte hier ein klassisches Windows 7 darstellen. Es ermöglicht Dateifreigaben, den Einsatz einer TV-Karte, den Betrieb als "Terminal-Server" für IRC, FTP, Usenet-Client usw. Einschränkungen sind erst zu erwarten, wenn eine größere Anzahl an Clients auf die Dateifreigaben zugreifen soll, da Windows 7 maximal 20 gleichzeitige SMB-Verbindungen erlaubt. An diesem Punkt sollte man dann auf Windows Server 2008 setzen, wo es dieses Limit nicht gibt. Auch der Einsatz von Linux ist bei entsprechenden Kentnissen natürlich möglich.
Bei der Installation von Windows gibt es zwei Fallstricke zu beachten: Hat man auf ein optisches Laufwerk verzichtet, muss man Windows von einem USB-Stick installieren. Dies funktioniert nur, wenn der Stick an einem USB 2.0-Port hängt. Auf den 3.0-Ports bricht das Setup mangels Treiberausstattung ab. Wird das System auf einem RST-RAID-Volume installiert, muss man die Treiber für dieses manuell von der Intel-Seite herunterladen und per USB-Stick dem Setup zur Verfügung stellen - außer man hat bereits ein Installationsmedium inkl. SP1, hier sind die korrekt funktionierenden Intel-Treiber schon integriert.
Entscheidet man sich für Windows Server, sollte man davon Abstand nehmen die Rolle "Remote Desktop Services" zu installieren, da hierfür eine separate Lizensierung notwendig ist. Der Zugriff durch mehrere Benutzer, auch parallel, ist auch ohne diese Rolle möglich. Auf der "Plus"-Seite des Windows Servers steht, dass auch er über die Datenträgerverwaltung in der Lage ist, RAID-Volumes der Level 0, 1 und 5 zu erstellen und zu verwalten. Diese Funktion wird aber recht selten eingesetzt, weshalb man gut nach möglichen Fallstricken recherchieren sollte.
Als Media Center
Wen ein gewisses Rauschen im Wohnzimmer nicht stört, der hat die Möglichkeit, unser System auch direkt mittels HDMI an die Glotze zu stöpseln. Media Center-Software wird bei Windows 7 direkt mitgeliefert (Windows Media Center) oder ist frei aus dem Netz erhältlich (XBMC usw.). Auch der Einsatz als "echter" Receiver z.B. mittels der empfehlenswerten Kombination DVBViewer und einer USB-TV-Karte, z.B. der Terratec S7 für SAT-Empfang ist leicht möglich. Wichtig: Beides klappt nur mit Windows 7 vernünftig, Windows Server 2008 ist hierfür ungeeignet.
Auch die Installation eines DLNA-Media Servers wie z.B. "Mezzmo" ist natürlich möglich.
Konfiguration im Test
Komponente | Produkt | Preis ca. |
---|---|---|
Gehäuse | Lian-Li PC-Q08A | 81 € |
Mainboard | ASUS P8H67-I | 85 € |
Prozessor | i5-2400S (65W TDP) inkl. Kühler | 160 € |
RAM | 8 GB DDR3-1333 | 45 € |
Festplatten | 2x WD Caviar Green 2 TB (WD20EARX) | 120 € |
Netzteil | 400W Cougar SE Series 80+ Silber | 65 € |
Total: | 556 € |
Alternative Spar-Konfiguration
Komponente | Produkt | Preis ca. |
---|---|---|
Gehäuse | Lian-Li PC-Q08A | 81 € |
Mainboard | Gigabyte GA-H67N-USB3-B3 | 85 € |
Prozessor | i3-2100T (35W TDP) inkl. Kühler | 105 € |
RAM | 2 GB DDR3-1333 | 12 € |
Festplatten | 2x WD Caviar Green 2 TB (WD20EARX) | 120 € |
Netzteil | LC-Power 350W (LC6350) | 22 € |
Total: | 425 € |
Weitere Variationsmöglichkeiten
Natürlich gibt es wie immer, wenn es um das individuelle Zusammenstellen eines PCs geht, noch hunderte Anpassungsmöglichkeiten. Ein alternatives, noch kompakteres Gehäuse wäre z.B. das Lian-Li PC-Q07, das Platz für eine SSD (2.5") und eine Festplatte (3.5") bietet. Spielt die Gehäusekompaktheit keine Rolle, explodieren die Ausstattungsmöglichkeiten geradezu.
Hier noch zwei weitere Optionen, die äußerst attraktiv sein können:
- Das noch recht neue Gehäuse Lian Li PC-Q25. Es bietet Platz für bis zu fünf 3.5"-Festplatten, die direkt auf eine simple Backplane gesteckt werden sowie Raum für bis zu drei 2.5"-Datenträger auf der Bodenplatte. Im Vergleich zum PC-Q08 verzichtet es auf den Slot für ein optisches Laufwerk, Front-USB-Ports sowie die Festplatten-Aktivitäts-LED, kann aber ebenfalls durch zwei eingebaute Lüfter und extrem gute Verarbeitungsqualität punkten. Zudem lassen sich die Seitenteile durch einfaches Ausclipsen entfernen, während beim PC-Q08 dazu der Schraubenzieher notwendig ist.
- Für AMD-Fans und alle, die keinen Wert auf extreme Leistung legen, gibt es z.B. von Asus Mainboards der AMD-Zacate-Plattform, auf denen eine 64-Bit-fähige Dual-Core CPU mit 18W TDP bereits aufgelötet und passiv gekühlt ist: ASUS E35M1-I. Auch hier sind sechs SATA-Ports und eine GPU, die H264-HD-Material dekodieren kann, vorhanden.
Fazit: Das Selbstbau-NAS ist keine Lösung für Pfennigfuchser. Wer jedoch bereit ist, ein wenig Geld in die Hand zu nehmen und über die technischen Fertigkeiten verfügt, kann sich hier einen Heim-Server, der sich vor nichts und niemandem verstecken muss, zusammenbauen.
Links
- Ausführlicher Testbericht mit vielen Fotos zum PC-Q08 auf ComputerBase
- Kurztest + viele Bilder vom PC-Q25
Diskussion
Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr ein NAS? Seid ihr damit zufrieden? Oder den ganzen Schrank voller externer Festplatten? Hat euch der Bauvorschlag gefallen?
Nachtrag 10. Oktober: Bitte auch die Kommentare aufmerksam lesen, viele Benutzer haben ihre eigenen Konfigurationen und weitere Tipps & Tricks gepostet.