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US-Fernsehen: Das System erklärt
Wie gucken die US-Amerikaner eigentlich TV?

(Image)In meinem 100. Blog-Artikel möchte ich mal nicht über Serien reden, sondern euch erklären, wie die Amerikaner TV gucken. Wie sieht es technisch dort drüben aus? Haben die wirklich so viele Sender und was zahlt man da eigentlich? Was bedeutet "8/7c" und warum liegt hier Stroh? Alle Antworten findet ihr hier.
Nun gut, nicht alle Antworten werdet ihr hier finden, denn warum hier Stroh liegt, weiß auch ich nicht. Aber kommen wir zu den wichtigeren Dingen im Leben und damit zum Inhalt dieses Blogs. Wir hören oft von US-Sendern. Wer hat nicht schon schlechtes über FOX News gehört, obwohl er den Sender noch nie gesehen hat? Oder davon gehört, wie toll HBO ist, obwohl keiner erklären konnte, warum genau das der Fall ist. Wir beginnen erst kurz mit der Geschichte, danach widmen wir uns der aktuellen Situation und einigen Erklärungen.

Bevor wir uns doch mit den genannten Punkten auseinandersetzen, sei noch kurz darauf hingewiesen, dass der Sinn dieses Blogs vor allem ist, euch die Unterschiede darzustellen. Zudem kann ich keine vollständige Korrektheit garantieren. Ich habe das Thema nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert, lebe aber nicht in den USA. Sollten euch Fehler auffallen, wäre ich über jeden Kommentar oder Hinweis per PN erfreut. Legen wir aber endlich mal los.

Geschichte

Fernsehen ist für die Amerikaner schon immer etwas besonders wichtiges gewesen. Als Familientreffpunkt geschätzt und doch immer stark reguliert, findet man in praktisch jedem US-Haushalt mindestens einen, aber meist auch mehrere Fernseher. Doch bevor es soweit kam, müssen wir etwas zurückgreifen - und zwar in das Jahr 1928, wo es bereits den ersten US-Fernsehsender gab. Natürlich kaum verbreitet und dieses Datum bezieht sich eher auf den Beginn vom Beginn. Denn hierbei experimentierte man nur mit einem Sender in einer Washingtoner Vorstadt, auf dem simple Silhouetten übertragen wurden. Aber während man noch am Fernsehen herumexperimentierte, brach der 2. Weltkrieg aus, was dazu führte, dass die Forschung in dem Bereich stark zurückging. Zu dem Zeitpunkt gab es auch noch keinen TV-Standard. Und so kam es 1941 dazu, dass das National Television System Committee (NTSC - die Abkürzung könnte euch bekannt vorkommen) den ersten TV-Standard für die USA festlegte. Basierend auf 525 Bildzeilen und diversen weiteren technischen Details gab es nun erstmals einen einheitlichen Standard, an dem sich die Hersteller orientieren konnten und so ging es nach dem Ende des Krieges auch direkt ans Eingemachte.

Und auch bald kamen die ersten Sender aufs Programm. Diese mussten aber vorher eine Sendelizenz bei der FCC (Federal Communications Commission - Behörde für Kommunikationswege) beantragen. Die FCC wurde regelrecht überflutet und musste zeitweise Anträgestopps verhängen, sodass es zu Beginn nur wenige Sender gab. So gab es zum Beispiel zur ersten "regulären" TV Saison 1946/1947 nur ganze zwei Sender: NBC und DMN (DuMont Television Network). Während NBC noch heute lebt, ist DMN bereits in den 90er-Jahren aufgelöst worden. In den 1950er verteilte die FCC viele Lizenzen, was dem Medium Fernsehen einen erheblichen Schub verschaffte. (Image)Natürlich gab es zu dem Zeitpunkt auch schon kommerzielle Fernseher (Deutschland spielte mit der Firma Telefunken auch eine große Rolle bei dem Spektakel) und so seht ihr auf dem Bild rechts ein typisches Fernsehgerät (television set) der 1950er Jahre. Über die Zeit entwickelte sich das Fernsehen ständig weiter, aber wir machen jetzt mal große Sprünge, um nicht komplett abzudriften. In den 1960 und 1970er Jahren verbreitete sich das Farbfernsehen und gleichzeitig entstanden viele neue Sendungen und Genres, die noch heute das TV-Programm prägen.

In den 1980er Jahren legte vor allem das Pay-TV in den USA stark zu und erfreute sich einem hohem Beliebtheitsgrad. Gleichzeitig wurde Kabelfernsehen immer weiter verbreitet und auch die Infomercials (Dauerwerbesendungen) wurden legalisiert. Auch begann der Wechsel auf digitales Fernsehen und auch die Einführung von HDTV erfolgte bereits in den 1990er Jahren (!). (Image)Der erste Sender dort hieß WRAL-TV (das HD-Pendant dementsprechend WRAL-HD), aber so richtig kam HDTV erst 1998 in Fahrt und wurde dann in der ganzen Nation verbreitet. Analoges Fernsehen wurde übrigens 2009 per Gesetz abgeschaltet. Die Qualität des US-Fernsehens erlebte auch wie in Deutschland einen starken Abbau, da gerade durch Reality-Sendungen viel Geld gespart werden konnte. Trotz allem fließt noch sehr viel Geld ins Medium, was wir uns aber später etwas genauer anschauen werden.

Wie sieht es heute aus?

Nachdem wir uns jetzt irgendwie durch den Geschichtsunterricht gequält haben, gehen wir mal ans Praktische ran. Als US-Amerikaner sieht man sich heute vielen Wegen ausgesetzt, Fernsehen zu schauen. Über Internet, über Kabel, über Satellit oder über die gute alte Antenne. Aber dennoch ist eins immer gleich: wer den vollen Spaß haben will, muss zahlen. In den USA ist es z.B. normal, dass man sein Internet, Kabelfernsehen und Telefon vom gleichen Anbieter bezieht, sodass man wie in Deutschland auch für den Kabelanschluss zahlen muss. Aber im Gegensatz zum deutschen Fernsehen bestehen trotz allem sehr krasse Unterschiede.

So zum Beispiel bei der Auswahl der Fernsehsender. Da es für die großen Networks - das sind einfach die Sender aus dem Blogbild, die in den ganzen USA aktiv sind - viel zu teuer ist, jede Stadt über Kabel zu versorgen, wird oft auf lokale Sender zugegriffen. Das Prinzip ist dabei ganz simpel. NBC schließt einen Vertrag mit einem Lokalsender in Nebraska (das sind immer diese lustigen Abkürzungen wie WXRB usw.). Dieser Sender überträgt zur Prime Time das NBC-Programm und zeigt auch andere NBC-Programme wie die Morning News oder Talk-Shows. Zeitlücken dazwischen werden dann z.B. durch lokale Sendungen oder anderes Filmmaterial gefüllt. Dies hat den Vorteil, dass NBC in diesem Fall enorm Kosten spart, denn die technische Instandhaltung regelt der Lokalsender. Der darf übrigens nicht einfach durchgehend das Bild vom Network übertragen, sondern ist gesetzlich limitiert.

(Image)Andere Networks wie z.B. FOX senden sogar nur zur Prime Time und sonst gar nicht. Wie karg der Sendeplan ist, zeigt der Screenshot rechts. Verträge zwischen Networks und Lokalsendern sind übrigens exklusiv, das heißt, dass ein NBC-Affiliate auch nur NBC-Signal zeigt und nicht plötzlich abc-Inhalte. Über Satellit sieht das schon wieder anders aus, da bekommen die Leute logischerweise das gleiche Signal und somit eher weniger lokale Inhalte. Natürlich gibt es darüber hinaus noch massig andere Sender, aber das kostet eben.

(Image)Denn günstig ist der ganze Spaß übrigens auch nicht, wie ein Beispiel am Anbieter "Verizon" zeigt. Dort kann alleine das Fernsehen mal eben über 100$ im Monat kosten, wenn man Premium-Sender wie HBO (alleine das kostet dann 16,99$ / Monat) dazubucht. Wo Fernsehen jetzt billiger ist und wo man mehr kriegt, kann man nicht eindeutig sagen, denn das hängt von der Region ab. So gibt es Verizon's Angebot auch nicht in jedem Ort der USA. Wie bereits gesagt, gibt es sehr viele Möglichkeiten, Fernsehen in den USA zu empfangen und ihr könnt euch auch relativ sicher sein, dass ihr es irgendwie fast überall in den USA schaffen werdet, Fernsehen zu bekommen.

Auch öffentlich-rechtliches Fernsehen, wie wir es kennen, gibt es auf der anderen Seite des Teichs nicht. Zwar gibt es öffentliche Sender wie PBS oder CSPAN (bei uns Phoenix), aber diese sind von dauerhafter Unterfinanzierung geplagt und gelten in den USA eher als langweilig.

Und sonst so?

Nun noch ein paar interessante Fakten. Beginnen wir mit dem eingangs erwähnten Sender "HBO", denn viele wissen gar nicht, warum er so beliebt ist und was ihn so besonders macht. (Image)Zu Beginn kann man direkt sagen, dass HBO ein Pay-TV Sender, wie hier z.B. Sky Deutschland, ist. Diese Sender genießen in den USA besondere Priviligien, denn sie unterliegen beispielsweise keiner Zensur. Sie müssen weder auf Gewalt noch auf Erotik verzichten. Besonders Erotik ist ein hochbrisantes Thema. Die fünf großen Networks, deren Signal theoretisch überall irgendwie empfangbar ist, haben die strengsten Auflagen. Offiziell müssen sie Wörter wie "Fuck" zwar nicht mehr ausbeepen, aber momentan machen die Sender dies noch freiwillig. Bei Erotik jedoch müssen sie extrem aufpassen. Erst 2011 entkam abc nur per Gericht einer Strafe in Höhe von mehr als einer Millionen Dollar. Bereits im Jahr 2003 wurde eine Serie ausgestrahlt, welche anstößige Inhalte enthielt und dabei die Zeitverschiebung vergessen. Und so kam es schließlich dazu, dass die Szene in einigen Gegenden zu früh lief (das Verbot liegt im Zeitfenster von 6 bis 22 Uhr). Nach 22 Uhr gilt aber auch nicht Narrenfreiheit, sodass US-Networks aus Sicherheitsgründen komplett auf "radikale Erotik" verzichten. Mehr Infos zu dem abc-Fall gibt es übrigens hier.

Kommen wir damit zur eben angesprochenen Zeitverschiebung - was hat das eigentlich zu bedeuten? Auch das System ist gar nicht so einfach, denn man muss sich vorher bewusst sein, dass die USA in ganze vier Zeitzonen unterteilt ist (mit Alaska und Hawaii sind es sogar sechs, aber vernachlässigen wir die mal). Und so stehen die Sender vor dem Problem, die Leute zu versorgen. Auch hier hat man ein System gefunden, welches bisher gut funktioniert. Hier greift man wieder auf die Regionalsender zurück und jetzt erkläre ich euch auch die Angabe "8/7c". (Image)Die vier Zeitzonen in den USA lauten von "rechts nach links" gelesen: Eastern Standard Time (EST) - Central Standard Time (CST) - Mountain Standard Time (MST) - Pacific Standard Time (PST). Die Küsten sind die am stärksten bewohnten Orte, die am schwächsten bewohnte Zeitzone ist die Mountain Time. Ihr könnt euch das ganze auf der linken Grafik nochmal veranschaulichen. Nun habt ihr also die Angabe "8/7c" vor euch stehen und so könnt ihr schonmal eine Aussage treffen: Hierbei handelt es sich um die Zeitangabe für einen Sender der Eastern Standard Time, also an der Ostküste. Demnach läuft die Sendung um 8 Uhr (pm oder am bestimmt dann, ob vormittags oder nachmittags) auf dem Sender der Eastern Standard Time. Gleichzeitig läuft die Sendung auch in der Central Standard Time, dort jedoch eine Stunde früher (Zeitverschiebung beachten!). Dort ist es zur Sendezeit 7 Uhr und so entsteht die Angabe "8/7c". Hinten steht also die Central Standard Time als Referenz und vorne die Zeit, in der sich der Sender befindet. Befindet sich nun jemand in der Mountain Standard Time, steht er einer nicht so tollen Situation gegenüber. Denn oft wird auch dort gleichzeitig ausgestrahlt. Bleiben wir bei unserem Beispiel, läuft die Sendung bei ihm schon um 6 Uhr. Erst wenn wir eine Zeitzone weitergehen, wird es schon wieder besser. Da wie bereits erwähnt an beiden Küsten die meisten Leute leben, unterhalten die Networks auch an beiden Küsten Sendestationen. Und so läuft unsere Beispielsendung dort auch um 8 Uhr, aber dieses Mal um 8 Uhr Pacific Standard Time. Das heißt, dass die Bevölkerung der Ostküste das TV-Programm erst drei Stunden später sieht. Nochmal zu Erinnerung: 8 Uhr Eastern Standard Time (Ostküste), 7 Uhr Central Standard Time und 6 Uhr Mountain Standard Time. Und dann - eben drei Stunden später - um 8 Uhr Pacific Standard Time. Es klingt kompliziert, aber wenn es einmal Klick macht, sollte man es schnell verstanden haben.

Zuletzt noch die kurze Frage, ob es die US-Amerikaner denn besser haben. Hier bin ich gemischter Meinung, denn hier kommt es extrem auf die Perspektive an. Redet man z.B. von professionellen Serien, kann man nur Ja sagen. US-Serien sind weltweit beliebt und verkaufen sich dementsprechend. Die USA gilt als der Hauptlieferant für Unterhaltungsserien schlechthin und auch in Deutschland wird der Trend zu US-Serien immer größer. Auch das US Pay-TV hat mit Sendern wie "Showtime" oder "HBO" unschlagbare Platzhirsche, die ihr Geld nutzen, um diese Position auch zu halten. Das war auch der Punkt mit dem Geld. In Serienproduktionen fließen Millionen (alleine die erste Staffel der Serie Game of Thrones soll rund 50 Millionen US-Dollar gekostet haben) und auch die Sportübertragungen fallen in die Bilanzen. Andererseits hat auch die USA das Problem mit dem Qualitätsverlust. Reality, Casting und sonstige Low-Budget-Produktionen können nicht gerade mit Qualität werben. Jedoch fahren diese Quotenerfolge ein - wie auch in Deutschland - und so muss man sich im Endeffekt eben auch fragen, woran das liegt. Abschließend überlasse ich euch die Beantwortung der Frage, ich persönlich habe keine feste Position dazu.

Ich könnte nun weiter über das Fernsehen philosophieren, aber das Thema ist einfach so riesig, dass ich irgendwo die Reißleine ziehen muss und das mache ich jetzt. Ich habe hier mal nur an einigen Ecken der Thematik angekratzt und hoffe so, euch ein bisschen etwas vermittelt zu haben. Wenn ihr weitere Fragen oder Hinweise habt, wäre ich über einen Kommentar sehr erfreut!

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12. Okt. 2012, 15:20 Uhr
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